Zuhören, vermitteln, im Gespräch bleiben, begleiten - dies sieht Schwester Marie-Sophie (l.) derzeit als ihre Hauptaufgabe an. (Foto: FH Münster/Pressestelle)

Münster (17. Juli 2015). Das Tor ist weit geöffnet. Es gibt den Blick frei zu einem Park und Gebäuden in rotem Backstein. Hier also arbeitet Marie-Sophie Schindeldecker, seit letztem Jahr Bachelorabsolventin im Online-Studiengang Soziale Arbeit an der FH Münster. Für alle aber ist sie "nur" Schwester Marie-Sophie.

Die Ordensschwester ist Mitglied in der Generalleitung der Franziskanerinnen im Kloster Sießen und hat den Ort im Baden-Württembergischen für drei Monate eingetauscht gegen das Katharinenkloster in Münster-Kinderhaus, um 15 Novizinnen in ihrer Praktikumsphase zu begleiten. An zwei Tagen in der Woche schwirren die "Auszubildenden" morgens in soziale Einrichtungen wie Obdachlosenhilfe oder Bahnhofsmission aus. Dort lernen sie viel über soziale Arbeit - und viel über sich selbst.

Wenn sie von ihrem Tageswerk zurück ins Katharinenkloster kommen, beginnt der Job für Schwester Marie-Sophie. "In erster Linie bin ich einfach für sie da. Als Gesprächspartnerin, Zuhörerin, Begleiterin", erklärt die 42-Jährige. "Für die Novizinnen ist die Situation nicht nur wegen der praktischen Arbeit neu", weist die Ordensfrau auf eine Besonderheit hin. Denn die Novizinnen sind zwischen 21 und 38 Jahre alt, dies sei ein besonders junges Umfeld und unterscheidet sich von den Gemeinschaften in der Heimat. Das bringt andere Gruppenprozesse mit sich und wirft andere Fragen auf. Die Erfahrungen in den sozialen Einrichtungen berühren die Novizinnen, der Gesprächsbedarf ist also groß, erst recht, wenn eigene Lebensthemen betroffen sind.

Dann hört Schwester Marie-Sophie vor allem zu, schon das tue einfach gut, sagt sie. "Die Gespräche dienen dazu, Wahrnehmungen zu reflektieren und zu fragen: Wo will ich persönlich wachsen, und was benötige ich dazu?" Es ginge darum "im Miteinander zu fragen: Wie sieht franziskanisches Ordensleben heute aus?" Die Novizinnen sollen jetzt und nach dem Noviziatsprojekt in den heimischen Ordensgemeinschaften "dem Leben gewachsen" sein.

Dies war auch der Titel von Marie-Sophie Schindeldeckers Abschlussarbeit, in der es um Resilienz, die psychische Widerstandsfähigkeit, von Heimkindern ging. Zunächst setzte sie sich mit den theoretischen Ansätzen auseinander und glich sie dann mit der eigenen Berufspraxis ab: Als gelernte Erzieherin hatte sie 17 Jahre lang in einem Kinderheim in Ellwangen gearbeitet. "Dass mich die Hochschule für meine Abschlussarbeit ausgezeichnet hat, war eine große Überraschung für mich und hat mich sehr gefreut", so Schindeldecker. Es wundert niemanden, der sie kennt, dass sie das Preisgeld für die Aids-Hilfe in einer südafrikanischen Provinz gespendet hat. Überraschend ist auch nicht, wie zugewandt und voller menschlicher Wärme sie die Novizinnen betreut. Auffallend ist eher zu sehen, wie viel Spaß sie dabei hat und wie fröhlich sie ist.

Und nützt das Studium für diesen "Zwischenjob" in Münster etwas? "Ja, das wird mir erst bei dieser Frage bewusst", schmunzelt Schwester Marie-Sophie. "Ich habe gelernt, konzeptioneller zu denken, Theorie und Praxis mehr zu verbinden. Und dadurch höre ich jetzt auch anders zu." Die Novizinnen warten schon in der Küche, heute mit Kaffee und Kuchen - denn es gibt wieder viel zu erzählen.

Zum Thema: In der Bachelorthesis "Dem Leben gewachsen... - Resilienzförderung in der Heimerziehung unter besonderer Berücksichtigung der Aspekte Beziehung und Vertrauen" befasste sich Marie-Sophie Schindeldecker vor allem mit den Theorien über Grundvertrauen und Spiritualität von Simon Peng Keller. Diese setzte sie in Relation zu ihren beruflichen Erfahrungen im katholischen Kinder- und Jugendhilfezentrum Marienpflege. Im Mittelpunkt dabei standen die zwei Aspekte Beziehung und Vertrauen, konkret die Beziehung zu einer stabilen Bezugsperson, die Bedeutung von Freundschaften/Peergroups und Mensch-Tier-Beziehungen. Fazit: Funktionieren diese Säulen, machen Menschen wieder die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und entdecken die Möglichkeiten ihrer individuellen Ressourcen - dann wird es möglich, sich von negativen, belastenden Erfahrungen zu distanzieren, sich von der Opferrolle zu lösen und Leben neu zu gestalten, so Schindeldecker. Betreut haben die Arbeit Prof. Dr. Irma Jansen und Prof. Dr. Christina Hölzle.

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