12. Januar 1945: Todestag von Gertrud Seele

Versteckte zur Zeit Hitlerdeutschlands jüdische Mitbürger


»Meine liebe kleine Tochter Michaela!
Heute muss [...] deine Mutti sterben. Ich habe eine große Bitte an dich, kleines Dirndlein, Du musst ein braver und tüchtiger Mensch werden und den Großeltern viel Freude machen. [...] Ich gebe dir alle lieben Wünsche mit auf deinen Lebensweg und möchte dich bitten, mich immer lieb zu behalten und mich nie zu vergessen. Ich weine innerlich heiße Tränen um dich und die Eltern, sei immer lieb zu ihnen. [...] Lebe wohl, geliebtes kleines Töchterchen, in Gedanken umarme und küsse ich dich.
Deine verzweifelte Mutti.«

Hrsg. Steppe, Hilde: Krankenpflege im Nationalsozialismus. 8. Auflage, Mabuse-Verlag, Frankfurt am Main 1996, S. 196

Diese bewegenden Worte stammen aus dem Abschiedsbrief der Berliner Krankenschwester und Seelsorgerin Gertrud Seele an ihre damals dreijährige Tochter Michaela, bevor ihr Todesurteil vollstreckt wurde. Wie kam es dazu? Warum wurde eine so junge Frau und Mutter durch die Nationalsozialisten zum Tode verurteilt? Weniges ist über Gertrud Seele bekannt, unter anderem, dass sie nach der Reichspogromnacht 1938 und den Deportationen von jüdischen Mitbürgern in die Konzentrationslager 1942 ein starkes Mitgefühl für die terrorisierten Minderheiten entwickelte und sich entschloss, Verfolgten Unterkünfte zu beschaffen und sie in ihrer Wohnung zu verstecken. Zunächst blieben sie und ihr mutiger und entschlossener Widerstand unentdeckt. Dann ereilte sie aber das Schicksal vieler: Sie wurde von einem Nachbarn denunziert und vom Volksgerichtshof zum »Tode durch das Fallbeil« verurteilt. Nur wenige Monate vor der Befreiung Deutschlands fand die 28-Jährige den Tod und musste ihre Tochter zurücklassen.

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