Joachim Gardemann
Der Arzt und Hochschullehrer Prof. Dr. Joachim Gardemann hat 2014 während eines humanitären Hilfseinsatzes für das Rote Kreuz im westafrikanischen Sierra Leone Infizierte in einer Ebolaklinik versorgt. (Foto: FH Münster/Online-Redaktion)

 

Münster (27. Oktober 2017). 2014 brach in Westafrika eine Ebolaepidemie aus, die fast zwei Jahre lang wütete und mehr als 11.000 Menschen das Leben kostete. Unser Hochschullehrer Prof. Dr. Joachim Gardemann, der damals in einer Ebolaklinik Patienten medizinisch versorgte, sieht die Gefahr einer Rückkehr von Ebola unter anderem auch mit dem Ernährungsverhalten der Europäer begründet.

 

Herr Prof. Gardemann, Sie sagen: Jeder Fisch, der in Westafrika bleibt, schützt auch uns vor einem erneuten Ausbruch von Ebola. Können Sie uns das erklären?

Der Zusammenhang zwischen Fischkonsum in Westafrika und der Jagd auf kleine Urwaldsäugetiere (bushmeat) ist spätestens seit dem Jahr 2004 bekannt. Aus diesem Jahr gibt es eine wissenschaftliche Arbeit in der renommierten Zeitschrift Science, die über den zunehmenden Verzehr von Urwaldtieren als Ersatz für Fisch berichtet.  

Die traditionelle Eiweißquelle in Westafrika ist der Fisch. Kohlenhydrate kommen aus dem Reis, Fett ist in Form von Palmöl mehr als reichlich vorhanden. Immer dann, wenn der Fisch knapp wird, aus welchen Gründen auch immer, sei es durch das Klima oder durch unsere Überfischung dort, wenden sich die Menschen in Westafrika Richtung Osten in den Urwald hinein und versuchen dort kleine Tiere zu jagen, meistens kleine Halbaffen oder auch Fledermäuse und Flughunde.

Es sind aber genau diese Tiere, über die das Ebolavirus zu den Menschen gelangt, das ist der primäre Übertragungsweg. Dadurch, dass die Tiere geschlachtet und zubereitet werden, haben die Menschen Kontakt mit Blut und Gewebe. Wenn das Virus dann einmal vom Tier beim Menschen angekommen ist, startet die Infektion in großem Stil von Mensch zu Mensch.

Erschwerend kommt zum Fischmangel hinzu, dass auch das Geflügelaufkommen zurückgegangen ist. Auch damit haben wir hier etwas zu tun, weil in den vergangenen Jahren große Mengen gefrorener Geflügelreste aus Deutschland und Europa nach Westafrika exportiert worden sind. Das hat nicht nur zu vielen teils tödlichen Lebensmittelinfektionen geführt, sondern vor allem auch zum Rückgang der dortigen Geflügellandwirtschaft. So blieben bei Mangel an Fisch kleine Urwaldtiere als verfügbare Eiweißquelle. Die einzigen dieser Tiere, die man fangen kann, sind übrigens schwache und kranke Tiere. Somit ist beim bushmeat immer schon mit einer Häufung infizierter Tiere zu rechnen gewesen.

 

Wir sollen also weniger Fisch essen? Es gibt doch Empfehlungen, ein- bis zweimal die Woche Fisch zu essen. Schadet weniger nicht unserer Gesundheit?

In den neuesten Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ist die Empfehlung für Fisch auf ein- bis zweimal die Woche reduziert worden. Früher galt die Regel, zweimal pro Woche fetten Seefisch zu essen. Der Grund für diese medizinisch korrekte Ernährungsempfehlung liegt beispielsweise im Gehalt an Omega-3-Fettsäuren. Die sind in der Tat für das Herz-Kreislauf-System ein ganz wichtiger Nährstoff.

In unseren reichen Industrieländern haben wir aber reichlich Alternativen zu fettem Seefisch. Wir können einmal beispielsweise vermehrt Rapsöl in der Küche einsetzen, wobei das kein hundertprozentiger Ersatz für fetten Seefisch ist. Aber wir können auch mit Omega-3-Fettsäuren angereicherte Lebensmittel essen, durchaus auch Supplemente zu uns nehmen, sodass wir hier überhaupt keine Abstriche bei unserer Gesundheit machen müssen. Wir haben hierzulande die Möglichkeit, Omega-3-Fettsäuren auf andere Weise zu uns zu nehmen als aus fettem Seefisch.

Ich bin der Meinung, wir sollten den Seefisch den Menschen vor Ort überlassen. Denn sie haben nicht die Möglichkeit, für sich und ihre Kinder Supplemente und angereicherte Lebensmittel für eine gesunde Ernährung und Entwicklung zu kaufen.

 

Westafrika wurde 2016 als ebolafrei erklärt. Kann eine Ebolaepidemie wieder ausbrechen? 

Wir haben jetzt ja eine andere Situation. Das Dramatische an dem Jahr 2014 war ja, dass über die Flughunde und die anderen Urwaldtiere das Ebolavirus quer durch Afrika transportiert worden war. Und in Westafrika hatte man keine Erfahrung mit Ebola, das war eher eine Krankheit im Kongo und in Uganda, dort kannte man das. Die verheerenden Auswirkungen in Westafrika kamen auch dadurch, dass man das mit anderen hämorrhagischen Fiebern wie Lassa verwechselt hatte. Diese Situation hat sich natürlich vollständig geändert. Jetzt sind sich die Bevölkerung und die Fachleute sehr bewusst, dass solche Erkrankungen auch bei ihnen in Westafrika jederzeit wieder auftreten können.

Das Ebolavirus ist seit 2014 weiterhin da. Man wird sicherlich in der Population von kleinen Urwaldtieren Ebolaviren finden können. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich von dort aus wieder auf Menschen übertragen, ist nicht von der Hand zu weisen. Je länger die letzte Epidemie her ist, umso mehr gerät sie in Vergessenheit. Je mehr Bedarf und Druck da ist, eine alternative Eiweißquelle zu haben, kann es wieder dazu kommen, dass die Menschen auch gegen ihre Erfahrungen und gegen die Empfehlungen der Gesundheitsbehörden wieder anfangen, Urwaldtiere zu jagen. Dann kann es wieder zum Ausbruch von Epidemien kommen.

Allerdings denke ich, dass es nicht mehr solche Ausmaße wie im Jahr 2014 und 2015 annehmen würde, weil die Menschen in Liberia, Sierra Leone und Guinea nun genau wissen, um was es sich bei dieser Krankheit handelt, und weil es in diesen Ländern sehr gut funktionierende Strategien der Seuchenbekämpfung gibt. Man hat in den Ländern sehr, sehr viel gelernt aus dem, was passiert ist.

Unser Konsumverhalten spielt aber durchaus eine Rolle dabei, ob es in Westafrika zu einer erneuten Epidemie kommt. Wir haben einen direkten Einfluss darauf, ob die Menschen dort wieder gezwungen werden, im Urwald alternative und gefährliche Eiweißquellen zum traditionellen Fisch zu suchen. 

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