Darmflora und Multiple Sklerose: Ausgezeichnete Masterarbeit von Stephan Dittrich

Wie hängen das intestinale Mikrobiom und die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose zusammen? Stephan Dittrich hat darüber seine Masterarbeit geschrieben und dafür den Hochschulpreis 2023 erhalten.

Die Krankheit lasse noch viele Fragen unbeantwortet, schreibt die Deutsche Multiple-Sklerose-Gesellschaft (DMSG) auf ihrer Website. Nachzulesen ist dort auch, wie viele Menschen betroffen sind: mehr als 280.000 Menschen bundesweit und geschätzte 2,8 Millionen Menschen weltweit. Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Das körpereigene Immunsystem greift dabei Teile von Gehirn und Rückenmark an.

Als Stephan Dittrich für seine Masterarbeit an unserer Hochschule recherchierte, begegnete er Schlagzeilen wie etwa „Angriff aus dem Darm“ oder „Darmflora kann MS auslösen“. Ihn interessierte, wie das intestinale Mikrobiom, also die Gesamtheit der Mikroorganismen im menschlichen Darm, und Multiple Sklerose zusammenhängen. Dazu analysierte er den Forschungsstand, der zum Zeitpunkt seiner Recherchen aktuell war. Den Masterstudiengang Ernährung und Gesundheit hat Dittrich inzwischen als Jahrgangsbester abgeschlossen. Für seine Arbeit, die Prof. Dr. Anja Markant vom Fachbereich Oecotrophologie – Facility Management und die Lehrbeauftragte Dr. Myriam Jabban betreuten, hat er zudem den Hochschulpreis 2023 der FH Münster erhalten. Die Masterarbeit ist in der Forschungsreihe der FH Münster bei Springer Link unter dem Titel „Das intestinale Mikrobiom bei Multipler Sklerose – Zusammensetzung, Pathophysiologie und therapeutisches Potential“ veröffentlicht.

„Das Darmmikrobiom ist immer noch ein aktuelles Forschungsfeld“, sagt der FH-Alumnus. In seiner Masterarbeit fokussierte er sich auf drei Fragen. Eine war, ob beziehungsweise wie sich die Mikrobiota von MS-Betroffenen und gesunden Menschen unterscheiden. Das Ergebnis: Bei MS-Patient*innen liegt eine Dysbiose vor, das Darmmikrobiom ist im Vergleich krankhaft verändert. So ergeben Studien, dass bestimmte Bakteriengattungen vermehrt vorkommen, während andere verringert sind. „Allerdings konnte auf Basis der Studienlage kein allgemeines Kernmikrobiom für MS definiert werden“, erklärt Dittrich. Das Design der Studien sei zu uneinheitlich gewesen, um daraus allgemeingültige Aussagen treffen zu können.

Dittrich, der aus dem Allgäu in der Nähe von Kaufbeuren stammt, ist jetzt Doktorand an der Universität Bayreuth im Themengebiet Biochemie der Ernährung. Er untersucht, wie Nahrungsbestandteile die Aktivität der Makrophagen im angeborenen Immunsystem beeinflussen. Seine aktuelle Forschung zum Immunsystem weist thematische Überschneidungen zu seiner Masterarbeit auf. So war die zweite Frage den Mechanismen gewidmet, die erklären könnten, wie Multiple Sklerose und Darmmikrobiom zusammenhängen. Es kann sowohl eine schützende als auch eine krankheitsfördernde Rolle einnehmen, wie Dittrich herausfand. „Mikrobielle Stoffwechselprodukte können das Immunsystem bedeutend beeinflussen.“ Eine der wichtigsten Verbindungen im schützenden Fall sind die kurzkettigen Fettsäuren. Sie können nicht nur mit zirkulierenden Immunzellen interagieren, sondern auch mit Zellen, die im Zentralnervensystem ansässig sind. Kurzkettige Fettsäuren entstehen aus löslichen Ballaststoffen, wie sie etwa in Hafer, Hülsenfrüchten und bestimmten Gemüsesorten vorkommen. Bakterien zersetzen sie im Darm und produzieren dabei die gesundheitsfördernden Fettsäuren. „Ballaststoffe tragen allgemein zu einem gesunden Darmmikrobiom bei“, sagt der Ernährungswissenschaftler.

„Welche Ursachen Multiple Sklerose hat, ist bislang nicht genau geklärt“, erläutert Dittrich. Genetische Faktoren spielen zwar eine Rolle, aber scheinbar in geringem Ausmaß. Umweltfaktoren wie etwa virale Infekte werden als Auslöser ins Spiel gebracht. MS ist bislang nicht heilbar. Welche Therapien sich aus den untersuchten Studien ergeben, war das Thema der dritten Fragestellung. „Mit dem Mikrobiom assoziierte Therapien könnten die Symptome lindern und die Lebensqualität verbessern“, so Dittrich. Laut Tierstudien stellt die Gabe von Antibiotika, Probiotika oder kurzkettigen Fettsäuren vielversprechende Möglichkeiten dar, um das Krankheitsgeschehen positiv zu beeinflussen. Auch deuten Studien darauf hin, dass ballaststoffreiche Ernährung, restriktive Diäten oder fäkale Mikrobiota-Transplantationen unterstützend wirken können. „Allerdings fehlt es bei den genannten Interventionen an aussagekräftigen klinischen Studien, die untersuchen, ob diese Therapien bei MS-Betroffenen wirksam und sicher sind“, sagt Dittrich. Weitere Forschung sei nötig, um in dieser Frage weiterzukommen.

Zum Thema:
Gerade einmal ein Prozent aller Absolvent*innen eines Jahrgangs erhält ihn: den Hochschulpreis. Jedes Jahr kürt das Präsidium gemeinsam mit der Gesellschaft der Freunde der FH Münster e. V. (gdf) auf Vorschlag der Fachbereiche die besten Abschlussarbeiten. Zu den Preisträger*innen des Hochschulpreises 2023 für die besten Arbeiten aus 2022 gehört auch Stephan Dittrich vom Fachbereich Oecotrophologie – Facility Management. Er erhält den Preis für seine Masterarbeit „Das intestinale Mikrobiom bei Multipler Sklerose – Zusammensetzung, Pathophysiologie und therapeutisches Potential“. Eine vollständige Übersicht aller gewürdigten Absolvent*innen ist im Jahresbericht ab Seite 38 abrufbar: fh.ms/jahresbericht-22.

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