Prof. Dr. Guido Ritter ist Ernährungswissenschaftler und Lebensmittelchemiker an der FH Münster. Zu seinen Schwerpunkten in Lehre und Forschung gehören Lebensmittelrecht, Lebensmittelsensorik und Produktentwicklung. (Foto: FH Münster/OEF/Dzemila Muratovic)

Münster, 30. Oktober 2019 | Am kommenden Sonntag, 3. November, zeigt das Erste den neuen Münster-Tatort. So viel sei verraten: Ein Marktmeister wurde ermordet, scheinbar mit vergiftetem Lakritz.

An dieser schwarzen Süßigkeit scheiden sich die Geister, entweder man mag sie oder man hasst sie. Wovon das abhängt und was es mit dem Lakritz-Äquator auf sich hat, darüber sprechen wir mit unserem Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Guido Ritter.


Herr Prof. Ritter, können Sie sich erklären, warum man ausgerechnet mit der Süßware Lakritz einen ganzen "Tatort" füllt?

Lakritz bietet einfach Gesprächsstoff, weil es ein sogenanntes polarisierendes Lebensmittel ist. Das ist spannend, das ruft Diskussionen hervor. Menschen teilen sich dann schnell ein in die, die Lakritz lieben, und die, die Lakritz hassen. Koriander oder Kapern zum Beispiel gehören auch in diese Lebensmittelgruppe.

In der Lehre sind wir sehr schnell auf das Thema polarisierende Lebensmittel und Lakritz gestoßen. Denn Lakritz ist einfach ein wunderbares Beispiel, wie Essgewohnheiten Landstriche kulturell prägen können. Das haben wir einmal genauer untersucht: In einer Bachelorarbeit an unserer Hochschule haben Studierende der Oecotrophologie mit Studierenden der Informatik kooperiert und eine Befragung zum Thema Lakritz durchgeführt. Basierend auf den Ergebnissen entwickeln wir derzeit eine App. Es kam viel Spannendes heraus, zum Beispiel woran es liegt, ob man Lakritz liebt oder nicht.


Wovon hängt das denn ab?

Aus der Untersuchung wissen wir, dass es sehr stark von der Gewöhnung abhängt. Die Mutter prägt die Familie, und wenn in einer Familie Lakritz schon gemocht wird, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass man selbst es auch mag, relativ hoch.

Der süße Geschmack von Lakritz, der durch den Inhaltsstoff Glycyrrhizin entsteht, unterscheidet sich im Profil von Zucker. Wir haben eine sehr nachhängende, lang anhaltende Süße, die auch in Richtung Anisgeschmack geht, und die mögen einige Menschen nicht.


In diesem Zusammenhang ist doch auch der Lakritz-Äquator von Bedeutung?

Es spielt tatsächlich eine Rolle, wo man aufgewachsen ist. Man könnte den Äquator am Main ziehen. Nördlich des Mains mögen die Menschen eher Lakritz, südlich des Mains eher nicht. In Münster sind wir durch die Nähe zu den Niederlanden beeinflusst, wir sehen es auch an den Lakritzhändlern auf dem Wochenmarkt.

Süßholz, der Grundstoff von Lakritz, ist wohl über die Hanse nach Norddeutschland gekommen. Die Familien der Region haben sich allmählich an den Süßholzgeschmack gewöhnt. Über Generationen wurde dann dieser Geschmack weitergetragen. Eine genetische Abneigung gegen Lakritz gibt es übrigens nicht, es ist eine reine Gewöhnungssache. Über Jahrhunderte scheint sich die schwarze Süßigkeit in der Esskultur der nordischen Länder etabliert zu haben.


Wie stehen Sie persönlich zu Lakritz?

Dadurch, dass ich südlich vom Main aufgewachsen bin, war schon die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich Lakritz nicht mag. Tatsächlich ist es so, dass es bei uns in der Familie keine Rolle gespielt hat. Ich muss mich an den Lakritzgeschmack noch gewöhnen. Wenn es in der richtigen Kombination ist und nicht im Vordergrund steht, dann mag ich es gern.


Lakritz ist Geschmacksache, das wissen wir nun. Gibt es bei der gesundheitlichen Wirkung etwas zu beachten?

Der interessanteste Stoff, pharmakologisch betrachtet, ist das Glycyrrhizin. Es macht nicht nur den süßen Geschmack aus, sondern wirkt sich auch auf den Blutdruck aus. Das Bundesinstitut für Risikobewertung rät dazu, die Aufnahme von Glycyrrhizin auf unter 100 Milligramm pro Tag zu beschränken. Wenn man eine übliche Menge Lakritz verzehrt, sollte das kein Problem sein. Bluthochdruckgefährdete Personen und Schwangere sollten Lakritz jedoch meiden oder zumindest nur in ganz kleinen Mengen essen.


Wie wird Lakritz eigentlich hergestellt, kann man das selbst zu Hause machen?

Das wäre tatsächlich schwierig - Süßholz kann man nicht in Supermärkten kaufen. Man müsste es erst extrahieren, um an den Saft zu kommen. Und das ist sehr aufwendig. Man braucht einiges an Geschick bei der Temperaturregelung, bei der Extrusion und einigem mehr. Es ist viel leichter, auf die Lakritzprodukte im Handel zurückzugreifen. Wenn man sie denn mag.

Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Weitere Informationen und die Möglichkeit zum Widerruf finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Seite drucken