Münster, 3. Februar 2021 | Ein Jahr Corona-Einschränkungen und kein Ende in Sicht. Ein Zwischenruf aus psychologischer Perspektive von Prof. Dr. Michael Krämer:

 

Prof. Michael Krämer
Der Psychologe Prof. Dr. Michael Krämer von der FH Münster lehrt und forscht am Fachbereich Oecotrophologie · Facility Management, den er als Dekan leitet. (Foto: FH Münster/Wilfried Gerharz)

Zum Jahreswechsel keimte bei vielen Menschen die Hoffnung auf, durch eine Impfung bald wieder zum Alltag zurückkehren zu können. Jetzt werden immer neue Mutationen des Virus entdeckt. Es ist offen, wie gut die Impfstoffe dagegen wirken. Da kurzfristig keine Impfstoffe in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, wird es noch lange dauern, bis die Einschränkungen verschwinden werden. Eine weiteres "Corona-Semester" steht an.

Viele erleben Hilflosigkeit und Wut angesichts dieser Situation. Die politisch Verantwortlichen versprechen und appellieren. Sie wollen Handlungsfähigkeit beweisen und wissen doch selbst nicht so genau, wie die Krise gemeistert werden kann.

Die Schere zwischen denjenigen, die über ausreichende materielle und soziale Ressourcen verfügen, um mit der Krise klarzukommen, und vielen anderen, die solche entbehren, klafft auseinander. Die wirtschaftlichen Folgen wie Insolvenzen und Arbeitsplatzverluste sowie der exorbitanten Kreditaufnahme des Staates sind noch nicht abzusehen.

In Krisensituationen richtet sich der Blick zunächst auf die eigene Person und das nahe soziale Umfeld. Was viele als selbstverständlich ansehen, ist inzwischen nicht mehr selbstverständlich. Jeder, der selbst nicht erkrankt, sollte froh darüber sein. Wer sich im Homeoffice befindet und über ausreichend Wohnraum verfügt, um weitgehend ungestört arbeiten zu können, sollte dieses Privileg zu schätzen wissen. Sich nicht nur virtuell mit anderen austauschen zu können, sondern in eine stabile soziale Gemeinschaft eingebunden zu sein, in der man seine Sorgen teilen kann, hilft ungemein. Über ausreichend finanzielle Mittel zu verfügen, um nicht in existentielle Not zu geraten, ist eine weitere wichtige Ressource, über die nicht alle verfügen.

Selbst wenn Sie über die genannten Ressourcen verfügen, bleibt noch der Ärger über die lästigen Einschränkungen. Ein kräftiges Fluchen darüber schafft spontan Erleichterung, hilft aber nicht die Situation zu verbessern. Nach Angaben der Johns Hopkins University sind bis zum 1.02.2021 weltweit circa 2,2 Millionen Menschen im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung verstorben, circa 57.000 in Deutschland. Sich persönlich "stark" zu fühlen, sich einzureden, dass Corona einem nichts anhaben kann, ist nur das Pfeifen im Walde.

Was bedeutet das alles für unsere Lehre?

Je länger die Corona-Einschränkungen andauern, desto stärker wird der Kontakt zwischen Studierenden untereinander, zu den Lehrenden und allen anderen beeinträchtigt. So gut wie möglich werden digitale Unterrichtsformate eingesetzt, um Studienfortschritte zu gewährleisten. Wir wollen jedoch auf Dauer keine Fernstudiengänge einführen. Studium bedeutet mehr als Wissensaneignung. Es stellt eine wichtige Phase der Persönlichkeitsentwicklung dar, die sich nicht auf die Arbeit am häuslichen Computer reduzieren lässt. Wenn noch weitere Corona-Semester folgen werden, wird sich für viele das Studium verlängern, um wichtige Teile nachzuholen. Nutzen Sie die Beratungsangebote der Lehrenden, der Fachbereiche und der Hochschule, wenn Sie Unterstützung brauchen.

Je länger die Ausnahmesituation andauert, desto mehr wird die Wichtigkeit der Schlüsselqualifikationen deutlich. Auch wenn sie neben fachlichen Qualifikationen oft als zu wenig greifbar und zweitrangig angesehen werden, tragen sie maßgeblich dazu bei, mit der aktuellen Situation besser klarzukommen.

Einige seien genannt:

  • Soziale Kompetenz:
    Auf andere zuzugehen, sich auszutauschen hilft, anstatt sich einzuigeln. Solidarität zu erleben oder selbst zu zeigen, gibt Kraft, die Krise zu bewältigen.
  • Organisationsvermögen und strukturiertes Arbeiten:
    Eine Videokonferenz an die andere zu reihen, fördert eher passives Konsumieren anstatt den Lernfortschritt. Zentrale Lerninhalte identifizieren und einen eigenen, abwechslungsreichen Weg zu finden, sich Neues zu erschließen, macht unabhängig von externen Vorgaben. Dies war bisher in einem verschulten Studium zu selten gefordert und wurde nicht ausreichend gefördert.
  • Flexibilität:
    Auf gemeinsame Feste, Konzerte, eine Urlaubsreise, einen Auslandsaufenthalt verzichten zu müssen, fällt nicht leicht. Sich unter den verbliebenen Möglichkeiten einen anderen Ausgleich zu suchen, der ebenfalls Freude macht, hilft gegen resignatives Verharren.

    Im Internet finden sich viele kreative Tipps, um etwas Neues auszuprobieren, zum Beispiel:
  • Selbstreflexion:
    Das erzwungene Innehalten kann auch als Ausbruch aus den alltäglichen Routinen verstanden werden. Es ist eine Chance, sich seiner eigenen Werte und Ziele bewusst zu werden. Vielleicht auch Alltägliches wieder etwas mehr wertzuschätzen, wenn irgendwann die Pandemie nicht mehr unseren Alltag dominieren wird.  
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